[1917-1919: Die Russische
Revolution provoziert Antisemitismus gegen "Russen" in
Argentinien - anti-kommunistischer Reflex ergibt Pogrome]
[[Geschichte]].
<1918-1930. Die Russische Revolution verstärkte die Angst
der Regierung, dass ähnliche revolutionäre Aktivitäten auch
in Argentinien stattfinden könnten. Seit die Juden generell
als "Russen" bezeichnet wurden,schlug anti-revolutionäre
Leidenschaft in offenen Antisemitismus um.
Während der Semana
Trágica (Tragische Woche) - vom 7. bis zum 13.
Januar 1919 - brach nach einem Generalstreik ein Pogrom aus,
das nach der brutalen Unterdrückung des Streiks in einer
Fabrik stattfand. Der Generalstreik wurde von den Behörden
als bolschewistische Revolution dargestellt, und es wurde
behauptet, es sollte eine "Schattenregierung" mit einem
jüdischen "Diktator-Präsidenten" Pinie Wald gegründet
werden, der die Kontrolle über das Land an sich reissen
wolle. Juden wurden auf den Strassen geschlagen und ihr Hab
und Gut gestohlen und verbrannt, und die Polizei schaute
dabei zu.
Diese Aktionen sollten auch in der Stadt Rosario wiederholt
werden, und wurden sogar in Montevideo (in der Hauptstadt
von Uruguay) nachgeahmt, als die Führer der jüdischen
Organisationen einen verzweifelten Appell publizierten:
"150.000 Israeliten - das Volk der Republik", und dann wurde
die Abordnung auch noch vom Präsidenten Argentiniens
empfangen.
Die liberale, öffentliche Meinung kritisierte die Regierung
und der Präsident distanzierte sich von den Ausschreitungen,
aber trotzdem drückte er sein Missfallen über den Umstand
aus, dass die Abordnung sich im Namen der Jüdischen Gemeinde
präsentierte und nicht im Namen der individuellen,
argentinischen Bürger.
[1920s: Schwierigkeiten bei
der jüdischen Einwanderung - Mussolini als Modell für
argentinischen Nationalismus - Einwanderungszahlen und
Entwicklungen in der jüdisch-jiddischen Kultur]
Er starke Antagonismus gegenüber Juden, vor allem zu den
"Russen", bewirkte in den 1920er Jahren administrative
Schwierigkeiten beim Prozedere der jüdischen Einwanderung.
"Soprotimis", die (Kol. 414)
ICA-Organisation, die mit Einwanderern Verträge abschloss,
schloss mit dem Einwanderungsbüro im November 1921 und im
August 1924 spezielle Verträge ab. Im Jahre 1926 aber wurden
die Juden dazu gezwungen, zur illegalen Einwanderung
überzugehen, und in mindestens einem Fall ertranken einige
von ihnen, als sie den Uruguay-Fluss überquerten.
Gleichzeitig kam in Argentinien ein starkes Nationalgefühl
hoch, das auf einer Angst (Xenophobie) und auf dem Einfluss
durch das Beispiel von Mussolinis Italien beruhte.
Nichtsdestotrotz war in den 1920er Jahren ein grosser
Anstieg der jüdischen Bevölkerung in Argentinien
feststellbar. Es kamen um die 79.000 Einwanderer; die
wirtschaftliche Situation der Veteranen-Siedler verbesserte
sich; 15 Kredit-Kooperativen wurden gegründet;
Wohltätigkeitsorganisationen breiteten sich aus (das
Jüdische Spital eröffnete das erste Gebäude im Jahre 1921
und das zweite Gebäude im Jahre 1928); und die jiddische
Presse, Literatur und Theater waren in voller Blüte.
gleichzeitig wuchs die Anzahl Juden, die in Argentinien
geboren waren, und die eine fortschrittliche, kulturelle
Integration erreichten. Sie gründeten die
"Hebraica-Gesellschaft" (siehe *Sociedad Hebraica
Argentina).
[Spaltung der Juden in
rassistische, anti-muslimische Herzl-Zionisten und
anti-rassistische Nicht-Zionisten - Sklavenhandel in der
jüdischen Unterwelt von den 1880er bis in die 1930er
Jahre]
Politische und institutionelle Unterschiede zwischen
verschiedenen Organisationen, [[rassistischen,
anti-muslimischen]] zionistischen Parteien, und zwischen den
[[rassistischen, anti-muslimischen]] Zionisten und den
Gruppen des linken Flügels wurden nun in dieser Zeit mehr
betont und verhinderten Versuche, zentrale
Gemeindeinstitutionen zu schaffen, die Allianz (Alianza).
Diese Unterschiede jedoch standen nicht mit dem generellen
und beherzten Kampf gegen weisse Sklavenhändler im
Zusammenhang, die sogenannten "Unreinen". Ein Land wie
Argentinien, das vor allem männliche Einwanderer anwarb,
hatte unter dem Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern
zu leiden, was folglich Vertreter der jüdischen Unterwelt
aus Osteuropa anzog, die Mitte der 1880er Jahre ihr Werk
begannen. Der Weisse Sklavenhandel war ein grosser Fleck in
der gesetzestreuen jüdischen Gesellschaft, und trotz des
Reichtums der Händler verhängten alle argentinisch-jüdischen
Organisationen einen allumfassenden, sozialen Bann gegen
sie, der ab den 1890er Jahren sogar in den Statuten der
meisten Gruppen festgelegt wurde. Die Sache wurde zeitweise
sogar in einem öffentlichen Kampf ausgetragen, zum Beispiel
im Jahre 1909, oder im Jahre 1913, und speziell in den
1920er Jahren. Um ihre Ausgrenzung zu kompensieren
organisierten die Händler sich selbst in eine offizielle
gegenseitige Hilfsorganisation, bekannt als Zevi Migdal
[[Zevis Turm]], die für den Schutz der Sklavenhändler
zuständig war, indem die Behörden bestochen wurden und
religiöse Gottesdienste unterstützt wurden, zum Beispiel mit
dem Bau einer eigenen Synagoge und eines eigenen Friedhofs.
Ab den 1890er Jahren unterhielt die Jüdische Organisation
zum Schutz von Mädchen und Frauen (Jewish Association for
the Protection of Girls and Women), die in London ihren Sitz
hatte, einen Zweig in Buenos Aires, bekannt als Ezrat
Nashim. Sie verfolgte die Spuren der "Unreinen" systematisch
und sorgte für so viel Hilfe wie möglich für die Opfer, mit
einer milden Gesetzgebung und mit verbreiteten
Bestechungsgeldern an Regierungsbeamte. Die Weisse
Sklavenhändler-Vereinigung in Buenos Aires wurde bis 1930
nicht aufgelöst, als die meisten Mitglieder entweder
inhaftiert wurden oder fliehen konnten. Der Kampf gegen den
und der Boykott gegen den bleibenden Weissen Sklavenhandel
wurde weitergeführt und war ein Charakterzug der Jüdischen
Gemeinde als die einzige Gruppe in Argentinien, die in ihren
eigenen Reihen einen Sklavenhandel auszurotten hatte.>
(Kol. 415)
[Jüdische
Landwirtschaftssiedlungen in Argentinien mit einer hohen
Fluktuation jüdischer Siedler]
<Die 15 Jahre zwischen 1919 und 1934 sind das zweite
Stadium in der Geschichte der Kolonisation. Dabei erreichte
die Weite des bearbeiteten Landes, die Anzahl Siedler und
die Anzahl der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung ihren
Höhepunkt. Während dieser Zeit aber begann auch der
Niedergang des Projekts, mit einer ansteigenden Anzahl
Leute, die sich von der landwirtschaftlichen Arbeit
verabschiedeten. Die Statistiken zeigen dabei, dass
insgesamt die Bevölkerung nicht zurückgeht, denn es rückten
immer wieder neue Siedler nach. Auch die Anzahl Nichtjuden
wuchs in den Kolonien an.> (Kol. 429)
[Jüdisch-landwirtschaftliche
Kooperativen]
<Im Jahre 1925, nach den kritischen Jahren zwischen 1911
und 1916, und nach dem darauffolgenden Anstieg der Anzahl
Kooperativen, versammelten sich die Delegierten und
gründeten die Kooperative der Kooperativen, später auch
Fraternidad Agraria genannt (Landwirtschaftliche
Brüderlichkeit, registriert im Jahre 1931). Diese
Organisation ist bis heute das Hauptquartier der
jüdisch-landwirtschaftlichen Kooperativenbewegung. Insgesamt
sind es 22 Kooperativen - davon widmen sich acht der
Viehzucht. Alle Kooperativen sind an die Fraternidad Agraria
angeschlossen, und, obwohl die jüdisch-landwirtschaftliche
Bevölkerung zurückging und durch nichtjüdische Kolonialisten
ersetzt wurde, so werden die Kooperativen doch weiterhin von
Juden verwaltet.
Die Federación Entrerriana de Cooperativas (Föderation der
Kooperativen der Provinz Entre Rios) mit Sitz in Paraná ist
ebenfalls mit der Fraternidad Agraria assoziiert. [[...]]
Der erste Getreidespeicher in der Provinz Entre Rios wurde
im Jahre 1931 in Dominguez gebaut (Kooperative Fondo
Comunal).> (Kol. 432)
[Unabhängige
landwirtschaftliche Siedlungen]
<Im Jahre 1923 verliessen 80 Familien die
[[landwirtschaftlich-kolonial-jüdischen]] Siedlungen
Narcisse Levin, Barón Hirsch und Montefiore in Richtung
[[Provinz]] Chaco [[im Norden des Landes]], denn es
herrschte gerade ein Baumwollboom. Die Leute verteilten sich
auf Siedlungen wie Charata und General Pinedo. Im Jahre 1928
kauften die Siedler in Barón Hirsch 21.381 Quadratfuss (8653
Hektaren) Land für ihre Kinder und Verwandten und nannten
ihre Kolonie Akiva Ettinger. Andere Siedler in [[den
Provinzen]] Entre Rios und Santa Fé kauften ebenfalls
eigenständig Land auf für siedlerische Zwecke.> (Kol.
430)
[Religiöses Leben]
<Die zweite Periode (1914-39) markiert einen Rückgang des
religiösen Lebens in Argentinien. Neue Einwanderer führten
strenge, antireligiöse Traditionen ein [[wahrscheinlich
jüdische Kommunisten]], und auch das Fehlen religiöser
Autorität und Führung wurde spürbar. Im Jahre 1928 wurde auf
Initiative von Rabbi Shaul Sithon der syrisch-jüdischen
Gemeinde mit der Bewilligung der osteuropäischen
(Aschkenasi) Rabbiner eine Entscheidung getroffen, dass in
der argentinischen Republik keine Übertritte zum Judentum
mehr möglich sein sollten. Dieses Verbot, das zu dieser Zeit
auch vom Oberrabbiner in Palästina, A.I. *Kook und von
anderen Autoritäten unterstützt wurde, wird in den
orthodoxen Gemeinden bis heute beibehalten.> (Kol. 421)
[Kulturelles Leben:
Tageszeitungen - Monatszeitschriften]
<Während der 1920er Jahre
hatte die Zeitung Di
Prese eine sehr linke Orientierung. Dies fand
seinen Ausdruck zum Beispiel darin, dass sogar hebräische
Wörter anders geschrieben wurden, dass kommunistische
Transkriptionen übernommen wurden. Dieser linksextreme Trend
liess gegen Ende der 1930er Jahre nach [[...]]. Andere
Tageszeitungen in dieser Zeit hatten dagegen eine nur kurze
Lebensdauer (Der Tag,
Morgentsaytung).
Erwähnt werden sollte auch der Kolonist Kooperator, das Organ der
jüdischen Kolonialisten ab 1917, das bis heute [[1971]] als
ein jiddisch-spanisches Monatsblatt erscheint.> (Kol.
423)
[[Die Vertreibung oder Ausrottung der Ureinwohner in
Argentinien wird in der Encyclopaedia Judaica nie erwähnt]].
<Wochenzeitungen und Monatszeitungen in Spanisch kamen
erstmals im Jahre 1911 heraus. Juventud [["Jugend"]] war die erste,
gefolgt von El Israelita
Argentino [["Der argentinische Israelit"]] (1913).
Vida Nuestra
[["Unser Leben"]] (1925), und Comentario [["Der Kommentar"]], publiziert
durch das Instituto Judío Argentino de Cultura e Información
[[Jüdisch-argentinische Institut für Kultur und
Information]]. Im Jahre 1917 etablierte sich auch das
spanische Monatsblatt Israel.
Es existiert noch heute [[1971]] und bedient hauptsächlich
Sefardim. Die Zeitung Mundo
Israelita [["Israelitische Welt"]] kam erstmals im
Jahre 1923 heraus, gefolgt von einer zweimonatigen
Publikation La Luz
[["Das Licht"]], zuerst herausgegeben von David Elnecave,
und dann durch seinen Sohn Nissim. Dieses Blatt richtet sich
an Sefardim, und literarische Zeitschriften wie Shriftn und Davke widmeten sich
hauptsächlich der jüdischen Philosophie.
Mit der Gründung der Hebräischen Gesellschaft, der die
Juventud [["Jugend"]] und andere Gruppen vor dem Ersten
Weltkrieg vorausgegangen waren, weitete sich das
jüdisch-kulturelle Leben in der spanischsprechenden Sphäre
aus. Die kulturellen Errungenschaften der Hebraica sind
hauptsächlich auf dem Gebiet des Sports, der Kund und beim
Drama zu suchen (das luxuriöse Theater wurde 1968
eingeweiht). Die dazugehörige Vierteljahresschrift in
Spanisch Davar
[["Fakten"]] mit Beiträgen der besten argentinischen
Schriftsteller, konnte über 100 mal erscheinen.> (Kol.
424)
<Im Jahre 1921 wurde die erste hebräische Zeitschrift in
Buenos Aires publiziert. Sie hiess Ha-Bimah ha-Ivrit ("Das
jüdische Forum"), zuerst herausgegeben von J.L. Gorelik, und
später von Tuvia Alekser. Andere folgten bald, und im Jahre
1938 wurde von der Histadrut ha-Ivrit die jüdische
Monatszeitschrift Darom ("Das Rauschen") gegründet und wird
bis heute [[1971]] regulär publiziert.> (Kol. 424)
[Schulen]
<Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurden Anstrengungen
unternommen, Oberstufenschulen einzurichten, aber diese
Schulen begannen erst ab 1920 mit ihrer Tätigkeit. Sie
wurden von Aktivisten, Lehrern, und in einem bestimmtem
Masse auch durch politische Parteien organisiert, z.B. die
Generellen Zionisten (orig. Engl.: General Zionists), die
linksorientierte Po'alei Zion, den Bund, und die
Kommunisten.> (Kol. 425)