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Jiron
La
Mar, Strassenbild mit Mototaxi
Die Häuser sind
ein- bis zweistöckig. Die Fahrbahn weist starke
Schäden auf, und das Trottoir ebenfalls. Rechts
existiert gar kein Trottoir.
In vielen Familien ist ein Mototaxi das einzige
Gehalt.
Man muss wissen, wie der Städtebau in
Süd-"Amerika" funktioniert, oder eben nicht
funktioniert: Zuerst ist da eine Hütte, dann sind
da ein paar Hütten und ein wilder Fussweg. Dann
werden Häuschen aus Stein gebaut, die nur aus
einem Erdgeschoss bestehen. Dann wird aus dem
wilden Fussweg ein Feldweg. Der Staat oder die
Regierung organisiert nichts. In den nächsten 10
Jahren kann es sein, dass man Strom, Wasser und
Telefon bekommt. Oft leben die Leute in den
Aussenquartieren Ayacuchos aber ohne Telefon, auch
ohne Zementboden mit direktem Kontakt zur Erde.
Dann wird ein Bad mit WC gebaut. Wenn eine neue
Häuserreihe entstanden ist, müssen sich die
Bewohner Gedanken machen, ob man eine Strasse
anlegen soll. Wenn man Pech hat, so muss alles
selber bezahlt werden. So gibt es in Ayacucho
ganze Quartiere ohne eine einzige asphaltierte
Strasse, wo auch Buslinien verkehren. Wenn es
regnet, tragen die Busse den Dreck der nassen
Feldwege in die ansonsten einigermassen saubere
Innenstadt...
Süd-"Amerika" funktioniert also genau umgekehrt
wie Europa: In Europa wird zuerst ein Plan
aufgelegt, ein Gebiet mit Strassen erschlossen und
dann die Häuser gebaut und vermietet. In
Süd-"Amerika" werden zuerst Hütten gebaut, dann
Häuser und zuletzt die Strasse. Wenn man kein
Glück hat, müssen die Hausbesitzer den Bau der
Strasse selbst bezahlen...
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Jiron
La
Mar 425, alte Hausfassade, fehlende Fensterscheiben
Die Farbe, um eine
Fassade neu zu streichen, kostet. Wenn die Familie
kaum Einkommen hat, so hat das Aussehen der
Fassade letzte Priorität. Es fehlen auch
Fensterscheiben der Terrassentüre. Der Bub der
Familie hat die Scheiben mit dem Fussball
herausgedonnert, und Scheiben sind in der Sierra
teuer und werden allenfalls erst im Winter
ersetzt.
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Jiron
La
Mar 425, Treppenaufgang open air im Freien
Durch den
Treppenaufgang open air kann man eine Falltüre
sparen. Da es in Ayacucho auch sehr stark regnen
kann, ist ein Treppenaufgang aussen am Haus die
sicherste Methode, dass das Dach keine Schäden
abbekommt. So kann man den Durchbruch durch das
Dach sparen, und auch einen Aufbau auf dem Dach.
Es ergibt sich auch eine Abstellnische unter der
Treppe. Das Dach wird später der Boden für die
erste Etage werden.
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Jiron
La
Mar 425, Waschbecken und WC open air im Freien auf
dem Dach
Das WC (Toilette)
und die Dusche haben nur einen Stoffvorhang, die
Dusche hat nur kaltes Wasser, falls sie
funktioniert. Haushalte, wo der Vater immer lange
abwesend ist, haben besondere Reparaturprobleme,
weil die Frauen keinerlei emanzipatorische
Bestrebungen in Sachen Handwerk haben. Eine
kaputte Dusche oder eine kaputte Toilette bleiben
so lange kaputt, bis der Mann kommt. Hier z.B.
fehlte ein kleiner Schlauch für den Wasserkasten
der Toilette und ein Dichtungsring für die Dusche.
Das WC musste mit einem Kübel bedient werden, die
Dusche war ein Kübel und ein grosser Wasserkessel.
Personen, die während eines Regens aufs WC müssen,
müssen durch den Regen eine Treppe hochlaufen. Die
Hausbesitzerin hat das Bad in den ersten Stock
gesetzt, um einen besseren Abfluss zu
gewährleisten.
Es ist auch nicht immer Wasser da. Die grossen
Wasserkessel müssen als Reserve für die Bedienung
des WC immer gefüllt sein, sonst ist man auf einen
Trockenzustand am Wasserhahn nicht vorbereitet.
Ich war froh, hatte ich im Hostal wenigstens eine
funktionierende Dusche, aber nur mit kaltem
Wasser, weil das warme Wasser nicht funktionierte,
oder weil das Zimmer nur mit kalter Dusche
gemietet war...
Später, wenn irgendwann einmal das Geld
zusammengespart ist, wird die erste Etage des
Hauses gebaut werden. Solange müssen sich die
Mieter mit einem Open-Air-WC und einer
Open-Air-Waschgelegenheit auf dem Dach
zufriedengeben. Das ist nicht das einzige Haus in
Ayacucho, wo man sich auf dem Dach open air die
Zähne putzt...
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Hahn
und
Henne im Hinterhof, und ein Fussballspiel
Ein Nachbar hat
Hühner und einen Hahn, der am morgen ab vier Uhr
die Nachbarschaft aus dem Schlaf holt. Die
Landbevölkerung ist an den Hahn ab vier Uhr
gewohnt. Viele Menschen in Ayacucho beginnen ab
vier Uhr mit der Morgentoilette und beginnen um
halb sechs Uhr mit ihrer Arbeit, für Europäer
unvorstellbar.
Im Hintergrund spielen junge Männer im Hof ein
Fussballspiel. Fussball ist eine der wichtigsten
Abwechslungen im Leben der Menschen von
Süd-"Amerika", denn alle Schneesportarten gibt es
nicht, weil es kaum Schnee gibt, und alle
Sportarten, die eine teure Ausrüstung erfordern,
haben bei der Bevölkerung auch keine Chance...
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Hinterhof
mit
Hahn, Henne und mit schwarzen Schweinen, und ein
Fussballspiel
Der Nachbar hat
auch schwarze Schweine in einem Gartenteil, die
seine Abfälle fressen und Fleisch hergeben. Diese
Grosstierhaltung im Garten ist keine Ausnahme. In
Cusco waren in einem Garten auch Schafe im Stall
anzutreffen.
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WC
des Nachbarn ohne Vorhang mit Wellblechdach
Das Wellblechdach ist für Hinterhäuser in Peru
absolut typisch.
Die Peruaner haben
ein sehr natürliches, aber auch sorgloses
Verhältnis zu ihrer Toilette. Eine Toilette im
Freien im Hinterhof ist in Peru keine Ausnahme,
sondern kommt im Wüstenklima von Lima sogar in
Hostals und Herbergen vor. Urinieren wird
allgemein "Nummer 1" (span. "número uno") und der
Stuhlgang "Nummer 2" ("número dos") genannt. Die
dazugehörigen Geräusche sind absolut
gesellschaftsfähig, aber die Geräusche werden
übertönt, wenn Leute sich unterhalten oder der
Fernseher läuft...
Die Klopapiere mit den Resten von Nummer 2 werden
eingefaltet, in einen kleinen Mülleimer gesteckt
und als Brennstoff der Müllabfuhr mitgegeben, auch
mit dem Argument, dass so das Leitungssystem
sauber bleibt.
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Wäsche
waschen
auf dem Dach, Pamela
Nur wenige
Peruaner auf dem Land besitzen eine Waschmaschine.
Oder dann besitzen sie eine Waschmaschine, sparen
aber den Strom und waschen dann doch von Hand. Die
draussen aufgehängte Wäsche trocknet bei der
direkten Sonneneinstrahlung in Peru sehr schnell.
Die Frauen sagen, dass die von Hand gewaschene
Wäsche weicher ist und länger hält als die Wäsche,
die in der Waschmaschine gewaschen wird...
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Wäsche
waschen
auf dem Dach, Pamela und Shirley 01
Die Frauen
verlieren viel Zeit mit Wäsche waschen, mindestens
vier Stunden pro Woche. Da die Frauen von Kind an
ab fünf Jahren an das eigene Wäschewaschen gewöhnt
sind, entwickeln sie einen gewissen, kindlich
anmutenden Stolz auf das Wäschewaschen von Hand.
Es scheint auch eine Art Fitnessausgleich zu sein,
der mit der Zeit so maschinell und
selbstverständlich abläuft, dass manche Frau sich
kein Leben ohne den Kult "Wäschewaschen von Hand"
vorstellen kann.
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Wäsche
waschen
auf dem Dach, Pamela und Shirley 02
Praktisch ganz Ayacucho wäscht die Wäsche von Hand
mit einer riesigen Verschwendung an Zeit, Seife und
Wasser. Wäschereien habe ich in Ayacucho trotz
zweiwöchigen Aufenthalts nicht gesehen. Nach der
Rückkehr nach Lima wurde meine Wäsche dann in
einer Wäscherei gewaschen...
Shirley wollte
sich nicht mit dem Gesicht fotografieren lassen.
So fotogen soll das Wäschewaschen dann doch wieder
nicht sein, auch wenn sie es gerne macht.
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