[Curacao als jüdisches
Zentrum - jüdische Einwanderung von Portugal]
VENEZUELA, südamerikanische Republik.
Für die Anwesenheit von Crypto-Juden in Venezuela während
der Kolonialzeit sind keine Nachweise vorhanden. Es kann
angenommen werden, dass in der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts die Nähe zu den organisierten, jüdischen
Gemeinden in den holländischen Kolonien - speziell *Curacao
- wirtschaftliche Beziehungen mit Venezuela bewirkte.
Simon Bolivar, Venezuelas Befreier, fand während des
Unabhängigkeitskrieges des Landes im Hause von Juden in
Curacao Zuflucht und Unterstützung.
Die Bindungen zwischen Juden auf den nahegelegenen Inseln -
speziell die holländischen Kolonien - und Venezuela wurden
Anfang des 19. Jahrhunderts stetig besser, als Venezuela die
Verfassungen von 1819 und 1821 verabschiedet hatte und so
die Religionsfreiheit festgesetzt wurde. Die erste jüdische
Familie siedelte in Coro vermutlich im Jahre 1820. Einige
Jahre später wurde in dieser Stadt ein jüdischer Friedhof
eingerichtet, der heute noch den wenigen jüdischen Familien
dient, die dort leben. Der älteste Grabstein datiert von
1832, und wegen seiner historischen Bedeutung wurde der
Friedhof im Jahre 1971 zum nationalen Denkmal erklärt.
In den 1840er Jahren hatten sich Juden bereits in vielen
venezolanischen Städten niedergelassen und dies brachte die
Einrichtung weiterer jüdischer Friedhöfe mit sich: in
Caracas, Barcelona sowie in Puerto Cabello. Im Jahre 1855
wurden die Juden von Coro von Nachbarn angegriffen und
beraubt. Die holländischen Behörden intervenierten energisch
zugunsten der Verteidigung der Juden und verlangten auch
eine Entschädigung für ihre materiellen Verluste.
Das Gemeindeleben der Juden portugiesischer Herkunft, die
meist von Curacao aus eingewandert waren, war nur sehr lose
geknüpft. Im Jahre 1864 bemerkte einer von ihnen die
Tatsache, dass es keinen permanenten Gebetsplatz in
Venezuela gäbe. Trotz gegenteiliger Hoffnungen und den
Aktivitäten von Rabbinern aus Curacao passten sich diese
Juden im Verlaufe des 19. Jahrhunderts an und gingen in der
angestammten Bevölkerung an [[bzw. wurden
"christianisiert"]].
Der Zerfall des religiösen Lebens der Gemeinden auf Curacao
einerseits, und das Fehlen einer gleichbleibenden
Religionstoleranz in Venezuela andererseits werden als
Gründe für die jüdische Assimilation betrachtet.
Im Jahre 1891 wurde die sozial-literarische Organisation
"Armonía" [[Harmonie]] eingerichtet, und unter ihren aktiven
Teilnehmern waren die Dichter Elías David Curiel und Salomón
López Fonseca. Aber die "holländische" Schicht des
venezolanischen Judentums verschwand und es blieben allein
die Familiennamen übrig wie Curiel, Capriles, Fonseca, etc.,
die unter nichtjüdischen Venezolanern verbreitet sind (Kol.
90).
[1890-1945: Jüdische
Einwanderung von Nordafrika, von Osteuropa und von
Zentraleuropa]
Mit der Ankunft von Juden aus Nordafrika um den
Jahrhundertwechsel zum 20. Jahrhundert begann die langsame
Entwicklung der zeitgenössischen jüdischen Gemeinde. Im
Jahre 1891 wurden in Venezuela 247 Juden gezählt; im Jahre
1917 war die Anzahl gemäss einer Schätzung auf 475
angewachsen. Die nationale Zählung von 1926 datierte 882
Juden, aber da waren auch Juden unter den 62.328 Personen,
die die Angabe der Religion nicht angegeben hatten.
Obwohl sich im Jahre 1926 auch osteuropäische Juden -
speziell aus Bessarabien - im Lande aufhielten, so hinderten
doch die politischen und insbesondere die wirtschaftlichen
Bedingungen die Einwanderung vieler Juden während dieser
Zeit.
Die jüdische Einwanderung aus Osteuropa wuchs dann während
des zweiten Viertels des 20. Jahrhundert an - und nach 1934
erhöhte sich die Einwanderung wiederum durch die
Einwanderung von Zentraleuropa aus. Aber nun hatte Venezuela
Einreisebeschränkungen gegen die jüdische Einwanderung
erlassen.
[[Möglicherweise sind Juden auch unter anderen, nationalen
Quoten und unter anderer Religionsangabe eingewandert. Dies
ist aber nicht erwähnt]].
Bis 1943 wurde die Ankunft von ungefähr 600 deutschen Juden
registriert, und nach dem Krieg erreichten weitere paar
Hundert das Land.
Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 91,
jüdischer Friedhof in Coro
[Einschränkungen nach 1945
- Taufscheine - Einwanderungswellen nach 1958]
Im Oktober 1950 wurde die jüdische Bevölkerung auf 5000-6000
Personen geschätzt. Aber das Wachstum wurde durch Verbote
und Einschränkungen behindert, die deswegen erlassen wurden,
weil die Juden nicht fähig oder unwillig waren, sich zu
assimilieren. Diese Einschränkungen blieben bis Ende der
1950er Jahre in Kraft, konnten die Einwanderung jener Juden
aber nicht verhindern, die einen Taufschein vorweisen
konnten.
Während der Jahre 1957-59 und speziell nach dem Fall der
Diktatur von Perez Jimenez im Jahre 1958 wurde die
Einwanderung von ungefähr 1000 Juden aus Ägypten, Ungarn und
dem [[rassistisch-zionistischen]] Israel zugelassen. Eine
unbekannte, wohl hohe Anzahl Juden wanderte auch von anderen
lateinamerikanischen Ländern her ein. Während der letzten
paar Jahre wurde die Einwanderung dann wieder eingeschränkt.
Im Jahre 1970 betrug die jüdische Bevölkerung ungefähr
15.000. Die Mehrheit davon lebte in der Hauptstadt. Über die
Hälfte der venezolanischen Juden lebt in Caracas; die
restlichen Juden leben vor allem in Maracaibo, in Valencia
und in Maracay. Das Land ist dabei auf den Import vieler
Konsumgüter angewiesen, auch Lebensmittel. Infolgedessen hat
Venezuela fruchtbaren Boden angeboten, um
Handelsunternehmungen und industrielle Betriebe zu
errichten. Viele osteuropäische Juden, die als Hausierer
angefangen haben, haben sich nun im Einzelhandel und im
Grosshandel etabliert, während viele Deutsche, Nordafrikaner
und einige Osteuropäer sich in verschiedenen
Industriebranchen konzentrieren.
Mitglieder der zweiten Generation all dieser Gruppen haben
die Universität abgeschlossen - einige in den Verunreinigten
Staaten - und üben ihre freien Berufe aus. Die
wirtschaftliche Lage der venezolanischen Juden hat sich
wesentlich verbessert, und die Gemeinde geniesst die Blüte.
Die Mehrheit der Juden gehört der Mittel- und der
Oberschicht an.
Encyclopaedia Judaica (1971): Venezuela, Band 16, Kol. 90,
Karte von Venezuela mit den
jüdischen Gemeinden von 1969: Maracaibo, Valencia, Maracay
und Caracas.
Jüdische Organisationen.
[Sefardische und
aschkenasische Gemeinden]: Die älteste, jüdische
Organisation in Caracas wurde im Jahre 1920 von sefardischen
Nordafrikanern und anderen gegründet - und ist heute als
"Asociación Israelita de Venezuela" [[Israelitenvereinigung
von Venezuela]] bekannt. Die Vereinigung, die ungefähr 800
Familien umfasst, unterhält eine Synagoge und zwei Rabbiner.
Die aschkenasische Gemeinde in (Kol. 91)
Caracas ist in drei Gruppen aufgeteilt. Die grösste Gruppe
umfasst ungefähr 1300 Familien und heisst "Unión Israelita"
[[Israelitische Union]]. Sie unterhält eine Synagoge, ein
Rabbinat, ein Sozialzentrum und eine Bibliothek. Die anderen
beiden Gruppen sind die orthodoxe "Shmorei Shabbat" und das
ultraorthodoxe "Rabinato de Venezuela" [[Rabbinat von
Venezuela]].
[Rassistische Zionisten]:
Nach mehreren, kurzlebigen Versuchen in den 1920er und
1930er Jahren wurde im Jahre 1953 die Zionistische
Vereinigung in Caracas eingerichtet. Sie verfügt -
zusätzlich zu den [[rassistisch]]-zionistischen Parteien -
den "Jüdischen Nationalfond" sowie "Keren Hayesod" - WIZO,
Maccabi und [[rassistisch]]-zionistische Jugendgruppen. in
den Jahren 1954 und 1956 wurden in Caracas und in Bolivar
auch zwei [[rassistisch-zionistische]] Logen der B'nai
B'rith gegründet.
[Die Vereinigung]: Die sefardischen und aschkenasischen
Gemeinden, zusammen mit der [[rassistisch]]-zionistischen
Vereinigung und der [[rassistisch-zionistischen]] B'nai
B'rith, sind in der "Federación de Associaciones Israelitas
de Venezuela" zusammengeschlossen [[Vereinigte Israelitische
Vereinigungen Venezuelas]], eine Dachorganisation, die mit
dem [[rassistisch-zionistischen]] Jüdischen Weltkongress
(World Jewish Congress) in Verbindung steht. Die Vereinigung
wurde im Jahre 1965 eingerichtet, um jüdische Gemeinden
gegen Antisemitismus zu verteidigen, der damals bedrohlich
war.
[Maracaibo]:
Maracaibo, dessen jüdische Bevölkerung im Jahre 1959 auf 700
geschätzt wurde, hat eine organisierte Gemeinde, die eine
Schule und eine [[rassistisch-zionistische]] B'nai
B'rith-Loge gegründet hat.
[Rassistisch-zionistische
Schulen]: Im Jahre 1947 richtete die aschkenasische
Vereinigung "Unión Israelita" [[Israelitische Union]] von
Caracas das "Colegio Moral y Luces" ein [[Schule zur Moral
und zum Licht]], sowie die "Gesamtschule Herzl-Bialik". 1955
waren 550 Schüler eingeschrieben, deren Anzahl bis 1970 auf
1800 stieg. Die Schule betreut die Kinder vom Kindergarten
bis zur Hochschule und verfügt über ein grosses Gebäude. Die
Schüler werden mit Bussen aus allen Ecken der Stadt
hertransportiert.
Beide - die aschkenasischen und die sefardischen Gemeinden -
sind aktiv in
Schulangelegenheiten engagiert, und die der hohe akademische
Standards der Institution zieht auch nichtjüdische Schüler
an, die 7 bis 10% der Gesamtzahl Schüler ausmachen. Im Jahre
1971 kam ein Teil der Schule unter die Aufsicht der kürzlich
gegründeten Organisation "Hebraica", bei der beide Teile -
aschkenasische wie sefardische Gemeinden - teilnehmen. Ein
kürzlich gekauftes Gebäude, in einem grossen Park gelegen,
garantiert die Möglichkeit einer weiteren Vergrösserung.
In der Gesamtschule, die von der jüdischen Gemeinde in
Maracaibo unterhalten wird - bekannt als "Bilu" - waren im
Jahre 1959 ungefähr 120 Schüler eingeschrieben.
Obwohl die grosse Mehrheit der jüdischen Kinder in Venezuela
jüdische Erziehungsinstitutionen besucht, so hat sich das
jüdische Kulturleben weder spezialisiert noch entsprangen
aus der Gemeinde irgendwelche Schriftsteller, die über
jüdische Themen berichten. Auf dem Gebiet des Journalismus
wurden sporadisch einige Zeitungen in Jiddisch und Spanisch
herausgegeben, wie auch einige interne Organe von
Institutionen.
Politischer Status und
Bindungen zum [rassistisch-zionistischen
Freimaurer-CIA-Herzl]-Israel
Trotz einiger sporadischer, antisemitischer Ausbrüche wie in
den Jahren 1964 und 1965, und trotz der offenen,
diskriminierenden Einwanderungsgesetze, ist Antisemitismus
nicht weit verbreitet. Sogar während der Zeit der Diktatur,
in der meisten Zeit des 20. Jahrhunderts vorherrschte (Kol.
92)
ist die jüdische Gemeinde nicht zum Fokus von Unterdrückung
geworden. Aber trotzdem sind Juden nur wenig in der Politik
engagiert, und nur wenige von ihnen sind in der öffentlichen
Verwaltung zu finden. Venezolanische Juden haben starke
Bindungen zum [[rassistisch-zionistischen]] Israel
unterhalten , und viele haben dieses Land sogar besucht. Die
Anzahl Freiwilliger aus Venezuela nach dem *Sechstagekrieg
war hoch und der finanzielle Beitrag der Gemeinde für
jüdische Angelegenheiten war substantiell.
Seit dem 29. November 1947, als Venezuela in der UN für die
Einrichtung eines jüdischen Staates stimmte, sind die
Bindungen der beiden Länder enger geworden. Diplomatische
Beziehungen basieren auf Botschafterstatus; die Botschaft
von Venezuela liegt in Jerusalem. Gegenseitige Besuche der
Aussenminister und älterer Regierungsvertreter, wie auch die
Zusammenarbeit in professionellen Projekten mit
Spezialisierungstechniken sowie in Sachen
Landwirtschaftsentwicklung sind Ausdruck der guten
Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Das "Instituto
Cultural Venezolano-Israeli" [[Venezolanisch-israelische
Kulturinstitut]] in Caracas wird von einer intellektuellen
Klasse geführt, die dem [[rassistisch-zionistischen]] Israel
wohlgesinnt ist.
[[mit Rassismus gegen Muslime und Araber]].
Bibliographie
-- J. Beller: Jews in Latin America (1969), 68-80
-- J. Shatzky: Yidishe Yishuvim in Latayn-Amerike (1952),
125-8;
-- A. Monk and J. Isaacson (eds.): Comunidades Judías de
Latinoamerica (1970), 141-5; 245-7.
[SH.ER.]> (Kol. 93)