Kontakt     zur
                        Hauptseite     zurück
ESP

Legenden aus der Mapuche-Welt

14. Die Legende der Pehuén-Araukarie: Tannenzapfenkerne retten im Winter das Leben

Araukarienwald in
                        Villa Pehuenia, Provinz Neuquén, Argentinien
Araukarienwald in Villa Pehuenia, Provinz Neuquén, Argentinien [1]
Araukarienwald im Winter in Chile
Araukarienwald im Winter in Chile [2]
Pehuen, Araukarie, Nadeln
Pehuen, Araukarie, Nadeln [3]

Pehuen, Araukarie, unreife Zapfen
Pehuen, Araukarie, unreife Zapfen [4]

Die Pehuen (Araukarie) ist für die Mapuche ein heiliger Baum, und die Zapfen galten als giftig. In einem strengen Winter lernten die Mapuche dann aber, die Tannenzapfenkerne der reifen Zapfen zu essen.

Pehuen (Araukarie), Tannenzapfen und
                            Tannenzapfenkern
Pehuen (Araukarie), Tannenzapfen und Tannenzapfenkern


übersetzt und präsentiert von Michael Palomino (2011)

Teilen:

Facebook







aus: María Espósito: Mapuche-Legenden (Maputsche; orig.: Leyendas Mapuches); in: Mapuche-Spanisch-Wörterbuch; mythologische Personen; indigene Themen aus Patagonien; ursprüngliche Namen; Legenden (orig.: Diccionario Mapuche mapuche-español / español-mapuche; personajes de la mitología; toponimia indígena de la Patagonia; nombres propios del pueblo mapuche; leyendas); Editorial Guadal S.A., 2003; ISBN 987-1134-51-7


Zusammenfassung: Die pehuén (Araukarie, Andentanne) war für die Mapuche ein heiliger Baum und in seinem Schatten wurden auch heilige Versammlungen abgehalten. Die Tannenzapfenkerne wurden als giftig und heilig betrachtet und durften nicht gegessen werden. Als ein harter Winter kam, der viele Tote forderte, brachte ein alter Mann einem Buben dann aber bei, wie die Tannenzapfenkernezubereitet und gegessen werden konnten - und so gab es bei den Mapuche im Winter nie mehr Hungertote, sondern sie begannen sogar eine Tradition der "Pinienkernsuche Anfang Herbst" und verehrten die Kiefer mit neuen Gebeten.

<Als der Weltenschöpfer Nguenechen die Mapuche auf die Erde setzte, verehrten die Mapuches die pehuén (Araukarie, Andentanne), die araucaria patagónica. Aber eines getrauten sich die Ureinwohner dieser Gebiete nicht: Sie getrauten sich nicht, die Früchte zu essen, weil diese als giftig erachtet wurden. Trotzdem wurden aber im grossen Schatten der Kiefer beim dicken Stamm Versammlungen abgehalten, um zu beten, mit Fleischopfern, Blutopfern und Rauchopfern. Sie sprachen mit dem Baum, vertrauten ihm ihre Sünden an. Später hingen dann an den Ästen die Geschenke für die Anbetung. Die Früchte, Tannenzapfenkerne, blieben aber auf dem Boden liegen.

Nun kam aber ein sehr harter Winter, so lange wie nie zuvor, und dem Stamm gingen die Lebensmittel aus (S.271). Die Flüsse blieben gefroren und die Tiere waren abgewandert. Die grosse Not verursachte einen grossen Hunger. Die Erde verzog sich unter dem Schnee. Viele konnten den Hunger aushalten, aber die Kinder und viele älter Leute starben. Die Jäger zogen aus, kamen aber ohne Beute zurück. Und einige Jäger kamen auch nicht mehr zurück, weil sie sich verloren. Der Weltenschöpfer Nguenechen schien, die flehenden Gebete der Mapuche nicht zu erhören.

In dieser schlimmen Lage wurde nun eine verzweifelte Entscheidung getroffen. Alle benachbarten Häuptlinge kamen nun zusammen und entschieden, dass die jungen Männer so weit wie möglich sich auf den Weg machen sollten, um Lebensmittel zu finden, und alle sollten überall suchen, wo sie es für angebracht hielten. Alles sollte als Speise willkommen sein: Knollen, Beeren, Kräuter, Kerne und Getreide, Wurzeln oder Fleisch von Waldtieren. Aber niemand fand etwas. Die Stämme starben weiterhin an Hunger.

Aber da war ein junger Mann, der - weit weg von seiner Ruka entfernt - eine sandige und trockene Bergregion durchstreifte. Abgemagert und blau vor Kälte war er schon, mit leeren Händen und mit der Scham, noch nichts gefunden zu haben, das er nach Hause tragen könnte. Aber da, als er hinter einen Hügel gelangte, kam ein alter, unbekannter Herr, mit einem langen, weissen Bart, der ihm nun zur Seite stand.

Sie spazierten zusammen eine Weile, während der Bursche dem Alten das Schicksal seines Stamms schilderte, seiner Brüder, der kranken und derjenigen, die eventuell nicht mehr zurückkehren würden, wenn er zurückkäme. Der junge Mann schilderte den Hunger und das Leid seines Dorfs.

Der Alte sah ihn an entgeistert an und fragte:

-- Sind denn die Tannenzapfenkerne nicht alle auch essbar, die da unter den Kiefern liegen? Wenn die von der Kiefer fallen, dann sind sie reif. Man sammelt sie und kann damit eine ganze Familie ernähren.

-- Aber die Früchte des heiligen Baums sind doch giftig und der Weltenschöpfer Nguenechen verbietet, sie zu essen. Ausserdem sind sie sehr hart - antwortete der Bursche.

-- Mein Sohn, von heute an erhaltet ihr diese Lebensmittel als Geschenk von Nguenechen.

Also erklärte der Alte, dass man die Tannenzapfenkerne in viel Wasser kochen oder über einem Feuer rösten müsse, und im Winter müsse man sie eingraben, um einen Vorrat anzulegen und vor dem Erfrieren zu schützen. Und kaum hatte er fertig gesprochen, da verschwand er wieder.

Der junge Mann ging seines Weges und dachte darüber nach (S.272), was er da gehört hatte. Kaum war er wieder im Wald, suchte er unter den Bäumen nach Tannenzapfenkernen. All die Früchte, die er fand, bewahrte er in seinem Mantel auf. Als er zu seinem Stamm zurückkam, gab er die Anweisungen des alten Mannes weiter. Der Häuptling hörte sehr aufmerksam zu, blieb eine Weile lang still und sagte am schlussendlich:

-- Der Weltenschöpfer Nguenechen ist zur Erde herabgestiegen, um uns zu retten.

Sofort rösteten oder kochten sie und assen sie die süssen Früchte, die ihnen das Leben retteten. Es war ein unvergessliches Fest. Es wird erzählt, dass ab diesem Tag die Mapuches nie mehr Hunger gelitten hätten. Und mehr noch: Es wurde eine neue Tradition geboren, die Tradition, zu Beginn des Herbstes Tannenzapfenkerne zu sammeln.

Wenn die Mapuche nun beten, stellen sich die Mapuche zur aufgehenden Sonne, strecken nach ihr die Hände mit einem Kiefernzweig aus und sagen:

Für dich, denn du hast uns nicht an Hunger sterben lassen,
für dich, denn du hast uns die Freude vermittelt zu teilen
dich bitten wir, dass du die Kiefer nie sterben lässt
den Baum mit den Zweigen, die wie ausgebreitete Arme sind.>

zurückvorige     nächstesiguente

Teilen:

Facebook








Fotoquellen
[1] Araukarienwald in Villa Pehuenia, Provinz Neuquén, Argentinien: http://www.infojardin.com/foro/showthread.php?t=85519
[2] Araukarienwald im Winter in Chile: http://araucania-floresdelsur.blogspot.com/
[3] Pehuen, Araukarie, Nadeln:
http://www.gartencenter-shop24.de/Nadelgehoelze/Nadelbaeume-hoch/Araucaria-araucana-Schmuck-Tanne-::42853_4_40024_40029.html
[4] Pehuen, Araukarie, Zapfen: http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d47/araucari.htm
[5] Pehuen, Araukarie, Tannenzapfenkern: http://www.flickr.com/photos/27742581@N02/2766044601/

^